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Rehasport ist für mich der Einstieg zum Sporttreiben

Das Wasser war schon immer ihr Element – und das Schwimmen die große Leidenschaft von Dr. Anne-Christin Hoffmann. Ob als aktive Sportlerin oder Übungsleiterin – seit gut sechs Jahrzehnten dreht sich im Leben der 68-Jährigen vieles rund um das Schwimmen. Auch deshalb ist der pensionierten Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie das Sporttreiben bei jungen Menschen mit Beeinträchtigungen ein wichtiges Anliegen. „Ich bin als Kind selbst an Polio erkrankt und schon immer geschwommen. Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie wichtig Bewegung für die Gesundheit ist und kann über die positiven Aspekte des Sports berichten“, entgegnet Hoffmann, die seit zwei Jahren im Ruhestand ist und sich als Übungsleiterin und Vereinsärztin im Leipziger Behinderten- und Rehasportverein (LBRS) engagiert.

Sport und Bewegung helfen in vielerlei Hinsicht dabei, das körperliche Wohlbefinden zu stärken. Nicht nur, dass sich Koordination, Ausdauer und Kraft verbessern. Die Menschen werden mobiler, das Herz-Kreislauf-System wird gestärkt, beim Schwimmen zusätzlich die Lunge trainiert. Das wirke sich nicht zuletzt auch auf die Flexibilität und das Selbstbewusstsein aus. „Gerade für Kinder, die an ADHS oder Depression erkrankt sind, und in der Regel eher hyperaktiv sind, kann Rehasport eine gute und wichtige Alltagshilfe sein“, erklärt Hoffmann, die betont, dass dieser für alle Erkrankungen und Menschen aller Altersklassen zu empfehlen ist.

Als praktizierende Ärztin war es ihr wichtig, ihre – auch zum Teil kleinen Patienten und deren Eltern – früh zum Rehasport zu animieren. „Wir merken, dass viele Kinder Sprachentwicklungs- oder Koordinationsstörungen haben. Auch Depressionen nehmen zu, und das hat nicht allein mit Corona zu tun.“ Auch deshalb sei regelmäßige Bewegung eminent wichtig. „Entsprechende koordinative Übungen unterstützen und verbessern automatisch die sprachliche und motorische Entwicklung. Ich kann nur immer wieder an die Eltern appellieren, in diesem Bereich etwas für ihre Kinder tun.“

Insbesondere junge Menschen mit Behinderung oder einer Erkrankung seien im Rehasport meist viel besser aufgehoben als im Regelsport, wo die Kapazitäten häufig begrenzt sind und vielfach die sportliche Leistung im Vordergrund steht. Die Teilnehmenden würden entsprechend ihrer körperlichen Konstitution und ihrem Gesundheitszustand abgeholt und individuell betreut. Schwerpunkt ist die Gesundheitsförderung, das Augenmerk liegt auf der Förderung der geistigen und körperlichen Fähigkeiten, ohne Überforderung und Frustration auszulösen.

Um das zu vermitteln, seien Aufklärung und Information wichtig. „Viele Eltern wissen gar nicht, welche Möglichkeiten sie haben, ihre Kinder gesundheitsfördernd zu unterstützen“, sagt Hoffmann. Der Arzt kann eine Verordnung ausstellen, die nicht sein Heilmittelbudget belastet. Diese beinhaltet in der Regel 50 Einheiten für die Dauer von 18 Monaten. Die Kosten für den Rehasport werden nach Genehmigung von den Krankenkassen übernommen. Dass die Umsetzung trotzdem manchmal schwierig ist, liege zum Teil auch an der Logistik. „Kinder müssen gebracht und abgeholt werden. Manchmal müssen Eltern vor Ort dabeibleiben. Das kostet Zeit und ist mit Aufwand verbunden. Das kann nicht jede Familie leisten.“

Der Leipziger Behinderten- und Rehasportverein verzeichnet rund 1250 Mitglieder und beheimatet seit der Fusion mit dem Behindertensportverein Leipzig auch die Sportarten Para Schwimmen, Rollstuhlbasketball, Rollstuhlrugby und Sitzvolleyball. Das größte Kursangebot im Rehasport richtet sich an Menschen mit orthopädischen Erkrankungen. Dazu kommen Herzsport, Sport bei psychischen, neurologischen und inneren Erkrankungen. Neben sieben Festangestellten kümmern sich eine Vielzahl an freien Mitarbeiter*innen und Ehrenamtler*innen um die Teilnehmenden in den mehr als 80 aktiven Sportgruppen. Täglich finden durchschnittlich 15 Gruppen statt, der LBRS gehört damit zu den Vereinen, die gut und breit aufgestellt sind. Landesweit, so die Ärztin, gebe es aber zu wenig Angebote – insbesondere für Menschen mit psychischen Erkrankungen oder geistigen Behinderungen. „Nur zwei Prozent der Vereine in Sachsen mit Rehasport bieten solche Kurse an. Trotz guter Weiterbildungsangebote fehlt es an Übungsleitern“, bemängelt Hoffmann, die in ihrem Kurs Menschen mit mittelschweren geistigen Behinderungen betreut.

Geübt wird im flachen Wasser. Zwei bis drei weitere Helfer sind überdies im Becken. Die brauche es auch, weil die Teilnehmenden eine besondere Fürsorge benötigen. „Einige sind ängstlich, weil sie nicht so gut schwimmen können, andere haben Gehprobleme oder sitzen im Rollstuhl und haben Schwierigkeiten, ins Wasser rein- und wieder rauszukommen.“

Ihnen allen möchten Hoffmann und ihr Team eine sportliche Heimat bieten. Die Menschen sollen sich wohlfühlen. Der erste wichtige Schritt sei mit dem Besuch des Kurses gemacht. „Denn für einige bedeutet der Gang zu einer solchen Gruppe eine große Überwindung. Da spielen Unsicherheit und Scham eine große Rolle. Einige kommen, weil sie vom Arzt geschickt werden und sind skeptisch, ob ihnen Rehasport wirklich was bringt.“

Die Erfahrung zeige aber: Die Integration in eine Gruppe sorgt für ein Gemeinschaftsgefühl. Auch deshalb sieht Hoffmann im Rehasport einen guten Einstieg zum Sporttreiben. „Das ist meine Devise. Wir hatten beispielsweise eine Dame mit schwerer Skoliose, die sagte, dass sie in einem ‚normalen‘ Verein nicht mitmachen könnte. Unter Gleichgesinnten fühlt sie sich dagegen besser aufgehoben.“

Dazu komme: „Weniger sportaffine Menschen schließen sich in der Regel keinem Verein an. Mit der Verordnung müssen sie aber erst einmal, und manche merken dann: Das tut mir gut, und gesellig ist es auch.“ Die Vorfreude auf Weihnachten und die damit verbundenen Feiern sei bei den Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmern schon groß. „Scham braucht hier wirklich niemand zu haben. Ich lade jeden ein, sich zu trauen und Rehasport auszuprobieren. Das macht großen Spaß.“

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