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Blindensport/Goalball

Fachwart:
Alexander Knecht

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Bild: Para Ski Nordisch

Erfolg und Spaß im Behindertensport auch als Nichtbehinderter

Von Alexander Knecht

Durch meinen Vater Edgar Knecht war ich schon als kleiner Bub mit dem Blindensport verbunden.

Er kam zum Behindertensport, da er im Zweiten Weltkrieg erblindete und sich 1959 der Versehrtensportabteilung des Turnerbund Cannstatt anschloss.

Schon in jungen Jahren waren meine Brüder und ich bei unseren internationalen Torballturnieren in Stuttgart als Balljungen oder Zeitnehmer im Einsatz. Auch bei auswärtigen Turnieren, bei denen wir manchmal als Begleitung mitfuhren, übte Torball schon früh eine besondere Faszination auf mich aus. So kam es, dass ich 1989 von Lothar Seidel den Trainer-Job der Blindensportgruppe des BSV Stuttgart übernahm und es bis heute geblieben bin.

Seither gewannen meine Damen acht Mal den Deutschen Meistertitel (1998, 2000 und 2006 noch als BSV Stuttgart, 2007 und 2008 als Spielgemeinschaft BSV Stuttgart/BSV München und 2015, 2016 und 2018 als Spielgemeinschaft SV Hoffeld/Karlsruhe/München). Zudem wurden die Damen 2015 Weltcupsieger.

Meine Herren gewannen 1989 Bronze an der Deutschen Meisterschaft und waren 2015 Gründungsmitglied der 1. Torball-Bundesliga. Zudem schafften sie nach zwei Abstiegen in Folge, 2018 den Wiederaufstieg in die 2. Torball-Bundesliga und 2020, noch vor der Corona-Zwangspause, als Zweitligameister den Sprung zurück in die 1. Torball-Bundesliga.

Der absolute Höhepunkt als Trainer ist für mich sicherlich der Goldmedaillen-Gewinn „meiner Spielerin“ Conny Dietz bei den Paralympics 1996 in Atlanta/USA. Dort erlebte ich live mit, wie Conny, damals Spielerin des BSV Stuttgart, als Centerspielerin eine überragende Leistung abrufen konnte und mit der deutschen Nationalmannschaft das Finale gewann. Somit hatte sich unser spezielles Einzeltraining über mehrere Monate hinweg wahrlich ausgezahlt.

Die eigentliche „Kariere“ machte ich jedoch als Schiedsrichter:

Beim Württemberg-Pokal Torball 1986 nahm ich das erste Mal die Pfeife in die Hand. Schon im Januar 1987 wurde ich zum Torball-Bundesschiedsrichterlehrgang eingeladen. Zwei Monate später pfiff ich in Offenburg meine erste Deutsche Meisterschaft. Der Deutsche Behindertensportverband (DBS) schickte mich im Sommer desselben Jahres auf einen internationalen Goalball-Schiedsrichterkurs nach Milton Keynes/England. Goalball, eine Ballsportart ähnlich dem Torball nur weltweit verbreiteter, kannte ich bis dahin nicht. Dies war dem Umstand geschuldet, dass zu dieser Zeit in der Bundesrepublik Goalball sogut wie nicht in Vereinen gespielt wurde. Der Goalball-Lehrgang fand direkt vor den Europameisterschaften statt, welche wir auch gleich pfeifen durften.

Richtig überraschend war für mich, als ich als Neuling 1988 die Schiedsrichter-Nominierung für die Paralympischen Spiele in Seoul/Südkorea erhielt. Die Freude war gewaltig, denn wer hätte gedacht, dass mein drittes Goalball-Turnier gleich die Paralympics sein werden. Für einen 21-Jährigen unter lauter „alten Hasen“ war das ein riesiges Erlebnis. Auf dem Platz vor dem Olympiastadion in Seoul musste ich sogar mal 45 Minuten lang Autogramme schreiben. Vermutlich hielten mich die Koreaner für  einen Sportler weil ich jung war, westlich aussah und Sportkleidung trug.

1990 pfiff ich in Calgary/Kanada dann meine erste Weltmeisterschaft. Lange Zeit war ich stets der Jüngste unter uns internationalen Schiedsrichtern. Bei den Paralympics 1992 in Barcelona durfte ich das erste Mal das Endspiel der Herren leiten. Auch bei den Paralympics 2000 in Sydney, 2004 in Athen (Höhepunkt dort war eine Begegnung mit Königin Sylvia von Schweden) und 2008 in Peking stand ich jeweils im Finale mit der Pfeife in der Hand am Spielfeldrand.

Nach dem ich 2012 in London als Volunteer in der Goalballhalle mitwirkte, war ich 2016 in Rio de Janeiro wieder als Schiedsrichter nominiert.

Weitere, sportliche Höhepunkte waren die Goalball-Weltmeisterschaften 1998 in Madrid/Spanien, 2010 in Sheffield/England und 2018 in Malmö/Schweden, die Asienspiele 2006 in Kuala Lumpur/Malaysia, die Paralympics-Qualifikationsturniere 2007 in São Paulo/Brasilien, 2011 in Göynük/Türkei und 2015 in Seoul/Südkorea sowie die beiden Parapan American Games 2011 in Guadalajara/Mexiko und 2019 in Lima/Peru. Bei den meisten dieser Turniere durfte ich ebenfalls als Schiedsrichter das Finale leiten.

Auch zwischen diesen Highlights gab es sowohl im Tor-, als auch im Goalball viele Freundschaftsturniere, Deutsche- und Europameisterschaften, Europa- und Weltcups bei denen ich als Schiedsrichter tätig war.

2014 hatte ich sogar zwei TV-Aufritte als Schiedsrichter bei „Schlag den Raab“ und „Schlag den Star“.

1998 kam ein weiteres Standbein hinzu. Ich leitete meinen ersten Schiedsrichter-Lehrgang. Die Schweizer Torballvereinigung war bestrebt, Torball auf Mauritius zu etablieren. Vor Ort gab es Trainer- und Spielerschulungen. Zeitgleich führte ich auf der Insel einen Schiedsrichterkurs durch.

Auch im Goalball betätige ich mich als Schiedsrichterausbilder und leitete 2005 in Litauen einen Schiedsrichterkurs. Neben einigen deutschen Lehrgängen kamen Schiedsrichterkurse in Portugal, Ägypten und Israel für mich als Lehrgangsleiter hinzu.

Bei den vielen Austragungsorten in verschiedensten Ländern, so großartig sie auch sind, sehen wir allerdings überwiegend die Sporthallen und Hotels. Natürlich versuche ich immer, wenigstens ein bischen, auch etwas von Land und Leuten kennenzulernen. Das Wichtigste für mich sind ohnehin die Begegnungen mit all den Menschen und Freunden beim Sport auf der ganzen Welt, das Knüpfen neuer Kontakte und das Pflegen der bestehenden.

Es zeigt, dass man auch als Nichtbehinderter im Behindertensport viel „Erfolg“ und vor allem jede Menge Spaß haben kann.

Für Tokio 2020 war ich nicht als Schiedsrichter nominiert. Dies wären die ersten Paralympics  gewesen, welche ich seit 1988 verpasst hätte. Vielleicht besteht ja nun 2021 noch eine kleine Chance für mich dabei zu sein.

Unabhängig davon freue ich mich auch in Zukunft darauf, bei unserem Tor- und Goalballsport noch viele, tolle Erfahrungen, Erlebnisse und Begegnungen zu haben, egal ob als Trainer, Schiedsrichter oder Lehrgangsleiter.

Beim Württembergischen Versehrtensportverband (WVS) vertrat ich an Abteilungs- versammlungen des DBS schon seit den 90ern die Blindensportfachwarte des WVS. 2001 übernahm ich dann dieses Amt von meinem Vater und bin bis heute Fachwart für Tor-/Goalball im WBRS.

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